Bundestagswahl 2017: Warum Sie wählen gehen sollten!
Medientipps: Demokratie und Bürgerbeteiligung im Netz
Die meistgehörten Argumente von Nichtwählern sind falsch. Ein Kommentar zur Bundestagswahl.
Von Elisa Soell
Stellen Sie sich vor, es ist Demokratie und keiner geht hin! Dieses Problem wird in Deutschland in den letzten vierzig Jahren immer greifbarer: Die Wahlbeteiligung bei den Bundestagswahlen sinkt stetig. Gingen bei der Bundestagswahl 1971 noch beachtliche 91,1 Prozent der Wahlberechtigten ins Wahllokal, waren es gute 35 Jahre später bei der Bundestagswahl 2009 nur noch 70,8 Prozent. 2013 stieg der Anteil der Wähler zwar an – aber nur unwesentlich auf 71,5 Prozent (Quelle: bundestagswahl.com).
Vielleicht, so könnte man denken, halten die Deutschen eben nichts von der Demokratie und wollen deshalb auch nichts damit zu tun haben. Vielleicht ist es Zeit für eine neue Staatsform und die „Herrschaft des Volkes“ ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Bei einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung im Jahr 2009 gaben gerade mal 11 Prozent aller Befragten an, sich eine andere Staatsform als die Demokratie für Deutschland zu wünschen. Zur Erinnerung: Im selben Jahr nahmen jedoch nur rund 71 Prozent der Wahlberechtigten ihr Bürgerrecht wahr und gaben ihre Stimme bei der Bundestagswahl ab.
Eine Demokratie funktioniert jedoch nicht ohne Volk. Sie lebt davon, dass jeder Bürger seinen Willen äußert und daraus im Parlament Kompromisse formuliert werden. Und sie verkümmert zu einer Tyrannei einiger weniger, wenn nur noch eine Minderheit ihr Wahlrecht wahrnimmt. Wem es also am Herzen liegt, in einer Demokratie zu leben, der sollte sich glücklich schätzen, seine Stimme am 24. September abgeben zu dürfen – und dieses Recht auch wahrnehmen.
- „… aber die Parteien sind doch sowieso alle gleich!“
Diese Ausrede ist schlicht falsch. Ein Beispiel: Während CDU und CSU die aktuelle Rentenregelung und die Rentenreform von 2007 loben und keine größeren Änderungen planen, setzen sich die Grünen und Die Linke für eine Mindestrente ein. Die FDP hingegen möchte die Altersbegrenzung für den Renteneintritt abschaffen und meint, ab 60 solle jeder selbst entscheiden, wann er in Rente geht. Auch bei Themen wie Migration, Arbeit, Umweltschutz oder Familie unterscheiden sich die Parteiprogramme deutlich. Zugegeben: Die Parteienlandschaft ist unübersichtlich und es mag manchmal mühsam sein, sich in die jeweiligen Programme einzulesen. Aber dafür gibt es nützliche Hilfsmittel, wie den „Wahl-O-Mat“ oder übersichtliche Wahlprogrammvergleiche von unabhängigen Medien, zum Beispiel von der Tagesschau.
- „… Wahlversprechen werden sowieso nie eingehalten.“
„Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd“, sagte einmal Otto von Bismarck, ein Mann, der es wissen musste. Und er mag bis heute Recht behalten haben: Etliche Wahlversprechen geraten nach der Wahl scheinbar in Vergessenheit. Aber: Wer wählen geht, bestimmt nicht nur mit, welche Partei in Zukunft regiert, sondern auch, welche dieses Privileg verliert. Das bedeutet, dass Parteien für ihre enttäuschende Politik der letzten Jahre bestraft werden können, indem sie abgewählt werden. Sind Sie also unzufrieden mit der Regierung der letzten vier Jahre, nutzen Sie Ihr Wahlrecht, um das auch zu zeigen und geben Sie Ihre Stimme einer anderen Partei.
- „… meine Stimme bringt doch eh nichts.“
Wohin es führt, wenn einem großen Teil der Wahlberechtigten der Gang zur Urne einer zu viel ist, können wir im Moment (zum Glück nur) aus der Ferne beobachten: Das Votum für den Brexit wird in den Medien häufig als „Schock“ betitelt. Im Voraus wurde mit einem deutlichen Ergebnis für einen Verbleib Großbritanniens in der EU gerechnet. Die Abstimmung ging denkbar knapp aus: Nur rund 52 Prozent der Briten stimmten für den Ausstieg aus der EU. Bei einem so knappen Ergebnis zählt jede Stimme. Das wurde auch den jungen Briten im Nachhinein schmerzlich bewusst. Nur 36 Prozent der 18- bis 24-jährigen beteiligten sich am Volksentscheid, 72 Prozent stimmten in dieser Altersklasse für einen Verbleib Großbritanniens in der EU. Wären mehr junge Briten zur Wahl gegangen, wäre der Brexit wohl verhindert worden (Quelle: The Guardian). Nach der Abstimmung war der Schock unter den jungen Briten groß: Sogar ein erneuter Volksentscheid wurde gefordert.
Das Beispiel zeigt, dass man nie die Macht der eigenen Stimme unterschätzen sollte. Also, besser Sie nutzen Ihre Stimme, als im Nachhinein zu bereuen, daheim geblieben zu sein. Denn letztlich müssen auch Sie mit den Konsequenzen leben.
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„… ich will meinen Protest zeigen.“
Sie sind unzufrieden mit der Politik in diesem Land und möchten das auch zeigen? Dann sollten Sie unbedingt wählen gehen und zwar eine Partei die Ihre Interessen besser vertritt als die derzeitige Regierung. Wahlverweigerung hingegen nützt gar nichts. Denn welche Partei wie viele Sitze im Bundestag bekommt, entscheidet alleine der proportionale Anteil aller abgegebenen Stimmen, genauso wird bei der Wahlkampfkostenerstattung verfahren. Nicht abgegebene Stimmen, und damit auch Ihr Protest, fallen also einfach unter den Tisch.
Übrigens sollten Sie auch dann wählen gehen, wenn Sie eine kleine Partei unterstützen möchten, die es vielleicht gar nicht in den Bundestag schafft: Sobald eine Partei ein halbes Prozent der Gesamtstimmen bekommt, erhält sie automatisch Geld für jede Stimme. Damit ist Ihr Kreuz eine unkomplizierte Geldspende für eine Partei, die Ihre Meinung vertritt.
Also: Sehen wir uns an der Wahlurne?